Erledanz - Folk von der deutsch-französischen Grenze

Unsere Lieder stammen überwiegend aus der Volksliedsammlung "Verklingende Weisen", die Louis Pinck Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts im deutschsprachigen Lothringen zusammengetragen hat. Als Domprediger in Metz bekleidete Louis Pinck kurz nach 1900, als Lothringen zum deutschen Kaiserreich gehörte, ein wichtiges Kirchenamt und war zudem journalistisch tätig. Als er in dieser Funktion öffentlich die Obrigkeit kritisierte, wurde er in die kleine lothringische Ortschaft Hambach versetzt. Plötzlich einfacher Gemeindepfarrer fand er eine neue Berufung darin, Volkslieder seiner Heimat zu sammeln. Als gebürtiger Lothringer und Pfarrer gelang es ihm, durch persönliche Kontakte, durch die Vermittlung von Vertrauenspersonen und Zeitungsaufrufe Verbindung zu einer Vielzahl von "Gewährsleuten" aufzunehmen, die ihm die damals noch bekannten Volkslieder vorsangen oder ihm handgeschriebene Liederhefte überließen. Das Ergebnis seiner Sammlertätigkeit ist von 1926 bis 1939 in vier Bänden erschienen. Jeder Band enthält einhundert Lieder, Liedvarianten und Anmerkungen.

Die Verklingenden Weisen geben kein Repertoire wieder, das nur in Lothringen gesungen worden wäre. Viele der Lieder sind in unterschiedlichen Varianten weithin im deutschsprachigen Raum bekannt. Dies belegt unter anderem eine weitere Volksliedsammlung, die etwa dreißig Jahre zuvor auf der deutschen Seite der heutigen Grenze entstanden ist (John Meier "Volkslieder von der Mosel und Saar", 1896). So zeigt sich, dass die Menschen bis ins 20. Jahrhundert hinein auf beiden Seiten der Grenze in ihrem Alltag vielfach dieselben Lieder sangen.

Heute sind die Verklingenden Weisen in gedruckter Form nur noch antiquarisch erhältlich. Daher haben wir neben unseren → CDs eine Auswahl der Lieder unter dem Titel "'Hör an mein Stimm' - Wiederentdeckte Volkslieder" in → Buchform wiederveröffentlicht.

"Bei den Dorfburschen war derjenige der Held, der die meisten Lieder wusste." "Vetter Nikles, der Spielmann von Gebenhausen, [...] rühmte sich, keine Ziegel auf dem Dach zu haben, die er nicht mit seiner Geige verdient hätte." (Louis Pinck, "Verklingende Weisen", Band I, 1926)

Häufig wird behauptet, Louis Pinck habe die Liedtexte, die er in Lothringen hörte, ins Hochdeutsche übersetzt und damit verfälscht. Ob dies stimmt, kann man unmittelbar überpüfen. Louis Pinck und seine Mitarbeiter haben in den 1930er Jahren Aufnahmen auf Wachswalzen gemacht. Einige dieser Wachswalzen haben sich erhalten und sind im Auftrag des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg digitalisiert worden. Die Tonqualität ist nach rund achtzig Jahren dürftig, aber es ist faszinierenderweise möglich, noch einige der alten Sänger zu hören, die Louis Pincks Quelle waren.




Hier drei Beispiele:


DVA_WW_188 Russlandlied, "Verklingende Weisen", Band 3, Seite 348, aufgenommen 1930, Text: "Ist es denn wirklich wahr, wie man hat vernommen? Dass so viele tausend Mann sind nach Russland kommen."


DVA_WW_190 Das Lied vom Sterben, "Verklingende Weisen", Band 3, Seite 207, aufgenommen 1933, Text: "Jetzt fängt das schöne Frühjahr an, bald fängt das schöne Frühjahr an und alles fängt zu blühen an."


DVA_WW_193 Ehestandslied, "Verklingende Weisen", Band 1, Seite 227, aufgenommen 1930, Text: "Hört allesamt, was ich erklär! Wo kommet denn der Ehstand her? Merkt auf mit Fleiss! Er ist von keinem Menschen nit, Gott hat ihn selber eingericht im Paradies, im Paradies."